Ahoj,
Nun da der Sommer da, das erste Gespräch mit den Nachfolger*innen geführt und meine letzte richtige Gruppe gefahren ist, muss ich mir langsam eingestehen, dass mein Jahr in Tschechien sich dem Ende neigt. Zehn Monate sind vergangen, seit ich meine Taschen gepackt habe und mich auf den Weg nach Hirschluch gemacht habe. Und obwohl ich noch gut zwei Monate in Tschechien verbringen werde, wird dies eine Zeit voller Abschiede und letzter Momente sein, die ich ich zwar genieße, die mich aber auch mit ein wenig Wehmut füllen.
In den letzten Monaten habe ich einige Dinge bemerkt und gesammelt, die dieses Land für mich ausmachen. Hier möchte ich nun eine kleine Liste an Besonderheiten zusammenstellen, die ich besonders missen werde, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.
1) Bier!
Bier ist hier sehr wichtig und sehr günstig. Für ca. einen Euro bekommt man einen halben Liter super gutes, teilweise selbstgebrautes Bier. Es gibt auch Kneipen, in denen ausschließlich Bier verkauft wird. Diejenigen, die nur ein kleines oder sogar gar keines bestellen, mutieren in den Augen des Wirtes mindestens zu Staatsfeinden.
2) Essen – oder Fleisch! Fleisch! Fleisch!
Ich weiß, ich weiß, Tschechiens Essgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren unglaublich stark verändert. Es wird weniger Fleisch und mehr Gemüse gegessen und überall sprießen Bioläden aus der Erde. Trotzdem, in der Gedenkstätte muss man immer noch (oder vielleicht sogar wieder) mit Menschen kämpfen, die immer noch denken, dass „vegetarisch“ ein sehr seltsame Diät ist.
Wenn Gruppen mich zum Essen einladen, bestelle ich meistens vegetarisches Essen, weil ich wirklich nicht zweimal am Tag Fleisch essen will. Manchmal gibt es allerdings wirklich gute Fleischgerichte und ich ärgere mich richtig darüber sie nicht essen zu können. Jedes mal, wenn ich in einer solchen Situation frage, ob ich nicht doch vielleicht das Fleischgericht bekommen könnte, lacht mich die Dame aus und sagt eine Variation aus „Du lernst schon noch, wie man richtig essen soll“ und „Damit du mal wieder satt wirst“. Dann reicht sie mir grinsend den Teller rüber.
3) Zugfahren ist ein Traum.
Über das Zugfahren in Tschechien lässt sich einiges sagen: Es ist günstig, die Bahnen sind häufig pünktlich, das Schienennetz ist super gut ausgebaut, man kann sein Ticket im Zug kaufen, es gibt keine Zugbindung und es ist erstaunlich modern. Ich möchte hier eine Situation schildern, die die Tschechische Bahn sehr gut zusammenfasst.
Es ist morgens um halb sieben, ich stehe in Lovosice am Bahnhof und warten auf den nächsten Zug um mich auf den Weg nach Berlin machen zu können. Der Zug kommt mit einem ohrenbetäubenden Quietschen neben mir zum Stehen, ich steige ein und schaue aus dem Fenster. Der Bahnhofsvorsteher steht mit seiner Kelle in der Hand auf dem Bahnsteig und unterhält sich angeregt mit der Schaffnerin, irgendwann steigt sie ein und winkt nochmal zum Abschied. Mit einem Ruck setzt sich der Zug in Bewegung und es geht los in Richtung Ústi. Einige Minuten später kommt die Schaffnerin in mein Abteil und scannt meine InKarta, auf der ich kurze Zeit zuvor mein Onlineticket gespeichert habe. In Ústi angekommen steige ich um in den EC nach Berlin. Als dort der Schaffner kommt, zeige ich ihm ebenfalls meine InKarta, doch er schaut mich verständnislos an und fragt nach meinem Ticket. Jetzt bin ich diejenige, die ihn verständnislos anschaut. Ich habe doch mein Ticket auf der InKarta. „Das ist da drauf“, antworte ich und er schüttelt den Kopf. „Wir sind hier nicht in Tschechien!“ erwidert er trocken.
Als der Schaffner sich wieder entfernt hat, fängt meine Sitznachbarin an zu lachen. „Ich wusste gar nicht, dass Tschechien so modern ist!“, sagt sie.
4) Straßenschilder
Mit dem Begriff „Straßenschilder“ meine ich nicht die Tatsache, dass Tschechien so etwas besitzt, denn es gibt natürlich genau sie gleichen wie in Deutschland. Was dieses Land allerdings perfektioniert hat, sind custom-made Vorfahrtsstraßenschilder. Da ich diese Eigenart wirklich nicht gut beschreiben kann, folgt hier eine Auswahl meine Lieblingsschilder, die ich im Laufe der Zeit fotografiert habe.
5) Potravinys soweit das Auge reicht
Ich muss sagen, es gibt auch Gegenden in Deutschland, vor allem Großstädte, in denen es viele kleine Läden gibt. Aber für mich sind diese Läden mit dem Namen Potraviny unglaublich tschechisch. Zwar werden die meisten dieser Läden von Vietnamesen geleitet, die beinahe immer wenn ich dort bin, mit irgendwelchen Freunden skypen und die meisten Dinge sind viel teurer als in Supermärkten, aber ich liebe diese Orte.
Besonders spannend sind immer die verschiedenen Angebote, die es in Potravinys gibt. Von Obst und Gemüse über Milchprodukte, Chips und Haushaltswaren bis hin zu Dingen wie eingelegtem Tofu kann man alles auf den 10 Quadratmetern der Ladenfläche finden.
6) Die Beste Erfindung der Welt – Hungerfenster
Immer wenn Gäste kommen, geht es mindestens einmal dorthin, zum Hungerfenster. Diese Fastfood-Bude, die nur aus einem Fenster heraus bedient scheint mir eine der besten Erfindungen der Tschechischen Republik zu sein. Meistens öffnet sie am frühen Abend und hat bis in die tiefste Nacht geöffnet und hungrigen Partygängern noch einen Smažak zu verkaufen. Schon des öfteren kam ich um zwei Uhr morgens dort an und fand mich am Ende einer Schlange von mehr als zehn Personen wieder.